Forschung und Entwicklung

Vossloh gehört in seinen Tätigkeitsfeldern in der Bahninfrastruktur zu den Technologieführern. Innovation ist ein entscheidender Baustein für die technologische Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Im Interesse der Sicherheit gelten für die Produkte und Dienstleistungen von Vossloh detaillierte technische Vorgaben und Normen, die zwingend einzuhalten sind. Bis Produkte und Dienstleistungen für die Bahninfrastruktur marktreif sind, durchlaufen sie in der Regel mehrjährige (Weiter-)Entwicklungs- und Testphasen sowie komplexe Zulassungsverfahren durch unabhängige Prüfungseinrichtungen. Forschungs- und Entwicklungsprojekte von Vossloh sind deshalb zumeist auf mehrere Jahre angelegt.

Um den spezifischen Erwartungen der Kunden in den einzelnen Marktregionen nachhaltig gerecht zu werden und die eigene Wettbewerbsposition weiter zu stärken, investiert Vossloh mit einem strukturierten Innovationsmanagement stetig in die Weiterentwicklung und Optimierung seiner Produkte und Dienstleistungen. Prinzipien und Vorgehensweisen definiert die im Jahr 2021 verabschiedete konzernweit gültige Innovationsrichtlinie (Innovation Playbook), deren Umsetzung durch ein Group Innovation Committee sichergestellt wird. Ziel ist es, im Unternehmen die geschäftsfeldübergreifende Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie Geschäftsmodelle weiter zu intensivieren und gleichzeitig sowohl Kunden als auch Zulieferer mit ihrer jeweiligen spezifischen Expertise stärker in die Forschungs- und Entwicklungsprozesse einzubinden. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen zudem seine Produktionsprozesse überprüft und ist dabei, durch Modernisierung sowie weitere Automatisierung und Spezialisierung kontinuierliche Effizienzsteigerungen zu realisieren.

Ein Fokus der Innovation bei Vossloh liegt auf der Digitalisierung als Bindeglied zwischen Hardware und Dienstleistungen. Durch den Einsatz spezialisierter Sensorik erhebt das Unternehmen Daten über den Zustand des Fahrwegs und die Belastungen im Gleis. Aus diesen Daten kann unter anderem Wissen über den Grad der Abnutzung der Komponenten gewonnen werden. Mit diesem Wissen lassen sich Aussagen treffen, welche Instandhaltungsstrategien wann am sinnvollsten angewendet werden sollten. So kann das Risiko eines Ausfalls von Komponenten – und damit des jeweiligen Streckenabschnitts mitsamt seiner Infrastruktur – während des laufenden Betriebs reduziert werden. In diesem Zusammenhang spielt auch der Einsatz künstlicher Intelligenz eine wichtige Rolle, mit der Verschleißmuster erkennbar werden, wodurch Ausfälle von Fahrwegkomponenten vorausgesehen und durch planbare Instandhaltungsmaßnahmen vermieden werden können. Vossloh nutzt dabei sein systemisches Fahrwegverständnis, um dem zentralen Kundenbedürfnis – die Verfügbarkeit des Fahrwegs Schiene – zu begegnen, und entwickelt ganzheitliche Lösungen im Zusammenspiel aller Geschäftseinheiten.

Streckenverfügbarkeit maximieren, Lebenszykluskosten reduzieren

Bei der Forschung und Entwicklung im Rahmen neuer Produkte und Dienstleistungen konzentrierte sich Vossloh auch im Jahr 2022 auf einige wesentliche Herausforderungen, die die Bahnbranche aktuell zu bewältigen hat. Es geht einerseits darum, die Verfügbarkeit von Bahnstrecken zu erhöhen und zugleich Lösungen für die Folgen der dadurch steigenden Gleisbelastung wie Verschleiß oder Lärmemissionen zu entwickeln. Andererseits ist das Ziel, die Lebensdauer von Infrastruktur(-Komponenten) zu verlängern und so deren Lebenszykluskosten zu reduzieren. Vossloh verfügt über ein umfassendes Wissen über das komplexe System „Fahrweg Schiene“. Auf dieser Basis kann das Unternehmen wesentlich zur Steigerung der Effizienz der Instandhaltung von Schienennetzen beitragen. Der Aspekt der Digitalisierung spielt hierbei eine zentrale Rolle. Der Fokus liegt auf einer intelligenten Fahrbahn und ihrem digitalen Monitoring. So wird ein störungsfreier Betrieb gefördert und die Voraussetzung für mehr Verkehr auf der Schiene geschaffen. Damit leistet Vossloh einen Beitrag zu einer leistungsfähigeren Bahninfrastruktur, die wiederum notwendige Voraussetzung für die umweltfreundliche Mobilität von Menschen und Gütern ist – enabling green mobility.

Zustandsdaten als Basis für vorausschauende Instandhaltung

Die Digitalisierung der Bahninfrastruktur eröffnet Vossloh neue Möglichkeiten der Wertschöpfung mit seinen Produkten und Dienstleistungen. Vossloh Applikationen führen Messdaten und Zustandsinformationen aus dem Gleis zusammen, bieten einen schnellen Überblick über den Handlungsbedarf an den Strecken und schlagen passende Maßnahmen zur Schadensbehebung vor. So sammeln konfigurierbare IoT-Sensoren von Vossloh Daten durch die Messung von Schwingungszuständen in der Nähe der Weichen. Via Mobilfunknetz werden die vorqualifizierten und verdichteten Messdaten an eine von Vossloh eigens entwickelte cloudbasierte Plattform zur Auswertung weitergeleitet. Auf der Plattform werden die von den Sensoren gesammelten Messdaten verarbeitet, um ein untypisches Verhalten des Gleises zu identifizieren und Instandhaltungsmaßnahmen vorzuschlagen.

Core Components

Im Geschäftsbereich Core Components stand 2022 im Geschäftsfeld Fastening Systems die Entwicklung der neuen Spannklemme im Blickpunkt. Ihre innovative Geometrie mit nach außen gebogenen Federarmen ermöglicht den Einsatz elastischerer Systeme zur weiteren Reduzierung von Vibrationen. Die M-Generation punktet mit optimierter Performance, erhöhter Lebensdauer, einer reduzierten Komplexität des Angebotsportfolios und einer signifikant verbesserten CO2-Bilanz dank neuer Mikro-Stahllegierung und eines kompakteren Designs. Verschiedene Modelle kamen 2022 in Europa und Nordamerika ins Testgleis. Bei der Weiterentwicklung der cellentic-Zwischenplatten ging es schwerpunktmäßig darum, den Einsatz gesundheitsschädlicher Nitrosamine bei der Herstellung gänzlich zu vermeiden. cellentic-Komponenten optimieren die Elastizität des Gleises, verringern Vibrationen, reduzieren den Körperschall und schonen den Oberbau – insbesondere wenn sie in Kombination mit der ebenfalls von Vossloh entwickelten Verbundstoffschwelle Engineered Polymer Sleeper (EPS) verbaut werden. Für die Produktion der EPS wird nach mehrjährigen Tests aktuell eine Serienfertigung aufgebaut. Im Geschäftsfeld Tie Technologies bildeten im Berichtsjahr material- und energiesparende Veränderungen bei der Zusammensetzung des Betons für Bahnschwellen einen Schwerpunkt der F&E-Aktivitäten. Ein wesentlicher Fokus lag auf der Verwendung einer innovativen Zementmischung, die durch eine veränderte Zusammensetzung bei gleichbleibenden Eigenschaften eine deutlich verbesserte CO2-Bilanz hat.

Customized Modules

Der Geschäftsbereich Customized Modules schloss 2022 die Entwicklung einer Ultraschallprüfung von Herzstücken aus gegossenem Manganstahl ab. Sie eröffnet nicht nur neue Möglichkeiten für die Gießerei, sondern auch für die Inspektion dieser wichtigen Weichenelemente im Gleis. Mit dem Weichenantrieb Flexidrive-4M entstand ein Produkt für Metro und Vollbahn, das konsequent auf die sehr lange Lebensdauer von einer Million Schaltvorgängen ausgelegt ist, unter anderem durch reibungsarme Materialien und ein Gehäuse, das die inneren Teile gegen schwierigste Klimabedingungen schützt. Diese Antriebe werden derzeit erstmals in Finnland getestet. Für den zuvor über Jahre hinweg in unterschiedlichen Installationen erprobten extrem harten Walzstahl CogX für Herzstücke und Zungen entstand eine Produktlinie, die weltweit angeboten wird. Das Material zeigt eine im Vergleich zu bisherigen Lösungen höhere Verschleiß- und Stoßfestigkeit sowie eine um bis zu 30 % längere Lebensdauer. Ebenfalls in eine Produktlinie überführt wurde nach mehrjährigen erfolgreichen Testeinsätzen COGISLIDE, die im Geschäftsbereich entwickelte Beschichtung. Sind Gleitstühle in Weichen mit diesem Material überzogen, können die Zungenschienen auch ohne Schmierung reibungsfrei und mit geringem Energieaufwand bewegt werden.

Lifecycle Solutions

Im Geschäftsbereich Lifecycle Solutions geht es bei der (Weiter-)Entwicklungsarbeit zum einen um Maschinen zur Schienenbearbeitung, zum anderen um Onboard-Messsysteme zur noch umfassenderen Zustandserfassung von Schienenstrecken sowie um Software zur Auswertung und Darstellung der gesammelten Daten (Stichwort „Smart Maintenance“). 2022 wurden Steuerung, Sensorik und Messtechnik verschiedener Schleif- und Fräsfahrzeuge an neue Anforderungen adaptiert. Da von Kunden immer öfter angefragt, untersucht der Geschäftsbereich systematisch Alternativen zum Diesel- oder Benzinantrieb seiner Maschinen. Erprobt wurden batteriebetriebene Elektromotoren und die Energieversorgung über Fremdstrom aus (mehreren gekoppelten) Traktionsfahrzeugen. Marktreif ist mittlerweile der SoniQ Rail Explorer, ein handgeführtes Ultraschallprüfsystem zur Erkennung und Lokalisierung von betriebsbedingten Unregelmäßigkeiten im Schieneninneren. Die Neuentwicklung überzeugte bei der Erprobung im Gleis mit geringem Gewicht, leichter Handhabung und hoher Robustheit.